Olaf Lieser ist Optionsprofi mit langjähriger Erfahrung. Obwohl er insgesamt gut durch den Crash kam, gab es einige Dinge, die auch ihn überrascht haben und durch die er dazulernen konnte. Wir haben mit ihm über die Details seiner Optionsstrategien zur Absicherung gesprochen und bei der Gelegenheit auch nachgefragt, wie er sich auf das anstehende Steuerunheil vorbereitet.
Lieser: Ich hatte im Vorfeld einen Airbag-Hedge, der in meinem Portfolio grundsätzlich als Optionsposition zur Absicherung für den Fall eines Crashs aktiv ist. Ein solcher Hedge besteht aus zwei aus dem Geld liegenden Short Puts und als Absicherung dazu drei noch tiefer liegenden Long Puts, die im Idealfall zu Zeiten ruhiger Märkte eröffnet werden. Dieses Konstrukt erstelle ich in mehreren Kaskaden mit unterschiedlichen Basispreisen und Verfallsdaten, um eine effektive Absicherung bei gleichzeitig geringen oder im Idealfall gar keinen Kosten aufzusetzen. Nach der ersten großen Abwärtswelle des Crashs gab es vonseiten einiger Indikatoren bereits Zeichen für eine bevorstehende Bodenbildung, sodass ich die Airbag-Hedges mit Gewinn glattstellte. Im Nachhinein betrachtet war das allerdings zu früh. Im weiteren Verlauf des Crashs legte ich dann mit Bear-Put-Debit-Spreads nach, kaufte also aus dem Geld liegende Puts und verkaufte zur Teilfinanzierung noch tiefer liegende Puts. Auf diese Weise blieb ich weiterhin gehedgt und konnte die Spreads entsprechend mit Gewinn glattstellen. Ein guter Zeitpunkt dafür ist in der Regel dann, wenn die Kurse den Basispreis der Long Puts erreichen und sich der Wert der Spreads etwa verdoppelt hat. Man kann dann sofort wieder neue Spreads aufmachen. Das geschah beim Weg des Aktienmarktes nach unten gleich mehrmals hintereinander. Auf diese Weise konnte ich während des Crashs anfallende Buchverluste aus längerfristigen Positionen wie trendfolgenden Aktienoptionen, Short Puts und Butterflies ganz gut kompensieren.
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In normalen Marktphasen liegt die Volatilität des Russell 2000 (RVX) über der des S&P 500 (VIX). In Crashs kann der VIX den RVX aber kurzfristig überholen.
Lieser: Der Airbag-Hedge funktioniert nur im S&P 500 wirklich gut. Das liegt daran, dass sich so viele Volatilitätsprodukte mit hohem dahinterstehendem Volumen darauf beziehen. In starken Crashs führt das dazu, dass die Volatilität explodiert, da kurzzeitig sprichwörtlich der Schwanz mit dem Hund wedelt. In diesen Phasen überholt die Volatilität im S&P 500, gemessen am VIX, die Volatilität anderer Indizes wie etwa des Russell 2000, gemessen am RVX, die in normalen Marktphasen eigentlich höher ist. Genau aufgrund dieses gewissermaßen überzogenen Volatilitätseffekts funktioniert der Airbag im S&P 500 so gut. Der Vorteil der Bear-Put-Spreads ist dagegen, dass sie auch in kleineren Korrekturen gut ansprechen, in denen sich der Airbag nicht so schön aufbläst. Bei einem starken Kursanstieg wie in den letzten Wochen sind die Bear-Put-Spreads aber auch recht teuer.
Lieser: Im Prinzip hatte ich wieder einmal die Erkenntnis, dass jeder Crash anders ist. Das liegt daran, dass sich die Marktteilnehmer auf Basis ihrer Erfahrungen sowie der Daten der Vergangenheit positionieren und es genau deshalb immer wieder etwas anders abläuft. Das genaue Tief zu erkennen ist ebenfalls immer sehr schwierig. Am meisten überrascht hat mich, wie die vorhin erwähnten Indikatoren, die eine erste Bodenbildung andeuteten, vom Markt einfach nach unten hin überrannt wurden. Hier hat es sicherlich auch einige erfahrene Marktteilnehmer erwischt, die ihre Positionen nicht schnell an die überraschende Situation angepasst haben.
Lieser: Nicht dass ich wüsste. Alles, was an Produkten auf Kante genäht war, ist schon im Volatilitätscrash im Februar 2018 aus dem Markt geflogen. Einige Produkte wurden infolgedessen auch auf konservativere Mechanismen angepasst. Die großen Märkte waren diesmal durchweg liquide, und auch wenn die Spreads erwartungsgemäß etwas angestiegen sind, blieb doch alles auf handelbarem Niveau.
Lieser: Hier geht es um die Beobachtung, dass die Volatilität dem Markt manchmal vorausläuft. Eine rote Divergenz* bedeutet, dass der Markt noch fällt, während die Volatilität schon fällt. Die Betonung liegt hier auf „noch“ und „schon“. Denn genau das bezeichnet letztlich die Divergenz: weiter fallende Kurse bei bereits abnehmenden Schwankungsbreiten – ein bullisches Signal für eine mögliche Beruhigung, auch wenn „rote Divergenz“ eher negativ klingt. Die Trefferquote ist dabei recht hoch. Umgekehrt ist es bei der grünen Divergenz: Hier steigt der Markt noch, während die Volatilität schon steigt – ein bärisches Signal, obwohl „grüne Divergenz“ eher positiv klingt. Allerdings ist hier die Trefferquote nicht so gut. Vor allem dann, wenn mehrere grüne Divergenzen in Folge auftreten, ist aber Vorsicht geboten. So gab es zum Beispiel im Januar 2018 eine lange Serie solcher Signale über zwei oder drei Wochen, bevor es zum berüchtigten Volatilitätscrash kam.
Im Januar 2018 gab es die bisher längste Serie grüner Divergenzen, die Olaf Lieser beobachtet hat. Kurz darauf folgte die damalige Volatilitätsexplosion zusammen mit einem zehnprozentigen Marktcrash.
Lieser: Sie sollten auf keinen Fall die Risiken unterschätzen. Bei Short Puts muss man sich zum Beispiel immer bewusst sein, dass man nicht nur einem prozyklischen Volatilitätseffekt unterliegt, sondern letztlich auch das Risiko des Basiswerts trägt. Um das zu verdeutlichen: Wer auch nur einen einzigen Put-Optionskontrakt auf die Amazon-Aktie verkauft, die zuletzt bei knapp 2500 US-Dollar notierte, verpflichtet sich, bei entsprechend fallenden Kursen 100 Aktien abzunehmen. Das entspricht einem Gegenwert von fast einer Viertelmillion US-Dollar. Darüber muss man sich im Klaren sein.
Lieser: Wir arbeiten gerade intensiv mit Steuerexperten zusammen. Voraussichtlich werde ich eine eigene UG oder GmbH gründen, die möglichst geringe Verwaltungskosten hat und es ermöglicht, weiterhin steuereffizient mit Optionen handeln zu können – auch dann, wenn die kommenden Durchführungsverordnungen wie befürchtet ungünstig ausfallen. Eine weitere Frage ist auch, wie man die Gewinne später steuerlich sinnvoll entnimmt. Eventuell bieten wir später dieses Jahr ein Webinar zu diesem Thema an, das eine entsprechende Einschätzung von Steuerexperten vermittelt.
Das Interview führte Marko Gränitz. Wir danken Traders Mag. für die Zusammenarbeit.
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